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Neue Dauerausstellung „Die Suche nach Gras“ im campus transhumanza
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Im campus transhumanza in Unser Frau hat die neue Dauerausstellung „Die Suche nach Gras“ von Sebastian Marseiler, Gianfranco Spitilli und Stefano Saverioni eröffnet. Im Interview sprechen der Kulturwissenschaftler Marseiler und der Ethnologe Spitilli über die Transhumanz im Schnalstal – und warum sie bis heute fasziniert.
Jedes Jahr, wenn der Sommer naht, ziehen tausende Schafe vom Schnalstal bzw. vom Vinschgau aus über das Nieder- und das Hochjoch ins österreichische Ötztal. Die Transhumanz im Schnalstal stellt ein bedeutendes kulturelles Phänomen dar, das tief in der Geschichte und Identität der Region verwurzelt ist. Als jahrhundertealte Praxis des saisonalen Schaftriebs über die Alpen verbindet sie wirtschaftliche Notwendigkeit mit sozialem und kulturellem Austausch.
Im folgenden Interview geben Sebastian Marseiller (Kulturpublizist, Buchautor, Kurator und Drehbuchautor) und der Ethnologe Spitilli (Honorarprofessor für Kulturantropologie an der Universität von Teramo) Einblicke in die Hintergründe, erläutern historische Entwicklungen und diskutieren die Bedeutung der Transhumanz für das heutige Selbstverständnis des Schnalstals.

Magdalena Alber: Du kennst viele verschiedene Transhumanzformen. Was zeichnet die Transhumanz im Schnalstal aus, was macht sie so besonders?
Gianfranco Spitilli: Ich habe verschiedene Transhumanzformen erkundet, vor allem in Mittel- und Süditalien, und mich durch Recherchen und das Tramontana Network, das wir 2012 gegründet haben und das noch immer aktiv ist, mit anderen vertieft.
Die Transhumanz im Schnalstal, die ich seit Juni 2023 aus erster Hand kennenlernen durfte und an deren Rückweg im September 2024 vom Ötztal nach Kurzras ich ebenfalls teilgenommen habe, hat mehrere Besonderheiten: Die Routen führen über verschiedene Alpenpässe und Wanderwege, die manchmal nur unter schwierigen Bedingungen begehbar sind. Außerdem verbindet sie zwei Berghänge, die heute durch Grenzen getrennt, aber kulturell miteinander verbunden sind, und zeigt damit, dass die Bergkämme nie Barrieren waren, sondern Wege der Kommunikation und Beziehung.
Wenn man jedoch ins Detail geht, gibt es verschiedene besondere und in gewisser Weise einzigartige Aspekte: Einer, der mich sehr interessiert hat, ist das Organisationssystem, das auf der jahrhundertealten Zusammenarbeit zwischen den Bauernhöfen basiert und faktisch eine Art erweiterten Zusammenschluss von Wanderschäfern und Weidebesitzern darstellt, an dem auch das Vinschgau maßgeblich beteiligt ist. Es gibt jedoch noch viele weitere Aspekte, die ich gerne weiter vertiefen möchte.
Magdalena Alber: Welche sind die historischen Momente in denen sich die Transhumanz im Schnalstal entwickelt hat?
Sebastian Marseiler: Historisch geht die Wanderweidewirtschaft im Schnalstal über den Gletscher ins Mittelalter zurück: Zuvor wurden Hochweiden allgemein im Sommer sicher genutzt, wohl seit der Jungsteinzeit her, weil über der Waldgrenze offene Weideflächen waren. Erst im Mittelalter mit dem sogenannten Landesausbau, als Hochtäler erschlossen wurden, erlebte die Schafhaltung einen großen Aufwind. Schafe sind genügsame Tiere, brauchten im Winter im Gegensatz zum Großvieh viel weniger Futter. In anderen Hochtälern fingen die neuen Siedler mit Melkschafen an (siehe Käseurbar auf der Churburg). Als die Herden zunahmen, musste man nach neuen Weiden suchen. Die fanden die Schnalser auf der anderen Bergseite. Außerdem gab es alte kirchliche Verbindungen, Vent gehört einmal zur Pfarre Göflan und zusammen mit Sölden zum Gericht Kastelbell.
Was ist für dich das Besondere an der Transhumanz im Schnalstal?
Sebastian Maraseiler: Der Übertrieb über den Gletscher und die Tatsache, dass jetzt die Vinschger Zuchtvereine die Tradition hauptsächlich weiterführen. Dass die Berge nie ein Hindernis waren und bereits in der Vorgeschichte (siehe Funde!) rege Kontakte hinüber und herüber waren.
Wie sieht die Ausstellung aus? Wie ist sie technisch aufgebaut und welche Elemente umfasst sie?
Gianfranco Spitilli: Was im zweiten Stock der Mühle realisiert wurde, würde ich weniger als Dauerausstellung bezeichnen, sondern eher als multimediale Erzählung.
Es handelt sich nämlich um eine Erzählung, die hauptsächlich durch audiovisuelle Materialien auf 11 LED-Bildschirmen (Ledwall) unterschiedlicher Größe entwickelt wurde, die unregelmäßig angeordnet sind, um ein dynamisches Bild zu bilden. Jeder Bildschirm kann einen eigenständigen Inhalt haben, oder derselbe Inhalt kann sich über mehrere Bildschirme bewegen und so eine mehrschichtige Erzählung der Transhumanz erzeugen. Es handelt sich also um eine Art audiovisuelle Installation, die kreativ ist, aber auf Forschungsmaterialien oder Materialien aus früheren Dokumentarfilmen oder Archiven basiert. Über einen Touchscreen können die Kapitel der Erzählung ausgewählt werden, die derzeit drei sind (die Suche nach Gras, Geschichte einer Überquerung, Die Migration, plus Abspann, insgesamt etwa 20 Minuten), aber in Zukunft sollen sie hoffentlich erweitert werden, um schließlich alle wichtigen Aspekte der Transhumanz im Schnalstal abzudecken.
Für die Ausstellung haben Sie in verschiedenen Ländern recherchiert. Woher stammen die Bilder?
Gianfranco Spitilli: Die Erzählung widmet sich ausschließlich der Transhumanz im Schnalstal, mit Materialien, die im Schnalstal, im Vinschgau und auf österreichischer Seite auf den Weiden des Rofenbergs während der Erholungsphase der Schafe vor der Rückkehr gesammelt wurden. Enthalten sind Ton- und Bilddokumente aus meinen ethnografischen Forschungen der letzten Jahre, ergänzt durch Beiträge von lokalen Akteuren und der Tourismusgenossenschaft Schnalstal sowie von ihnen zur Verfügung gestellte Fotos. Ein bedeutender Teil der visuellen Gestaltung wurde dank der Bereitstellung verschiedener wertvoller Archivdokumente aus dem Archiv Luce, der Rai Bozen, dem Filmarchiv Wien, dem Bayerischen Rundfunk oder auch von Regisseuren wie Sylvia Rothe, die aus den Jahren 1957 bis 2016 stammen, sowie einige Fotografien aus der deutschen Abteilung des Archivs des Film- und Medienamtes der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol. All diese Materialien sind nicht leicht zu beschaffen und haben uns mehr als ein Jahr lang mit umfangreichen Recherchen beschäftigt.
Neben den traditionellen Materialien wurde in der Ausstellung auch künstliche Intelligenz eingesetzt, um einige Szenen nachzustellen, die ohne eine komplette Filmproduktion nicht zu realisieren gewesen wären. In diesem Zusammenhang möchte ich die sehr funktionale und effektive Synergie zwischen den drei Kuratoren hervorheben, deren Kompetenzen und Fähigkeiten sich ergänzen und für die Realisierung eines so komplexen Projekts unerlässlich sind: Stefano Saverioni, Regisseur, Kameramann und konzeptioneller und materieller Verantwortlicher für den Schnitt; Sebastian Marseiler, Historiker, Autor und Forscher der Südtiroler Kultur, der das Phänomen aus eigener Erfahrung kennt und sich mit der Kultur des Bauernhofs im tiefsten Sinne auskennt; ich selbst, für den eher anthropologischen Aspekt, auch durch direkt dokumentiertes Material, zusammen mit meiner Erfahrung im Bereich Film und Museen.
Hinzu kommt eine recht komplexe Teamarbeit, die auch dank der Unterstützung der Gemeinde Schnals und aller an der Produktion beteiligten Institutionen ermöglicht wurde.
Was wünscht ihr euch, dass die Besucher nach dem Besuch der Ausstellung mitnehmen?
Gianfranco Spitilli: Dass sie zumindest beginnen, den kulturellen Reichtum zu verstehen und eine Vorstellung davon zu bekommen, den die Transhumanz im Schnalstal zum Ausdruck bringt. Und auch die Idee, dass schöne und wichtige Dinge auf Zusammenarbeit beruhen, vor allem zwischen Menschen, aber auch zwischen Menschen, Tierwelt und Pflanzenwelt. Ich hoffe, dass diese Botschaft aus dem, was wir geschaffen haben, hervorgeht, so wie sie auch aus der Transhumanz und dem Sommerleben auf den Weiden der Schafe und Hirten als Gesamtphänomen deutlich wird.
Sebastian Marseiler: Staunen und Respekt vor den Tieren, die so eine Strecke zurücklegen, Freude über den Erhalt der Tradition und Erkennen, dass durch die Beweidung die Hochgebirgslandschaft erhalten und gesichert wird.
Vielen Dank für das freundliche und informative Gespräch!
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