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Bergmesse auf dem Langgrubjoch anlässlich der Eröffnung des Wanderweges Nr.1

Am 20. Juli findet am Langgrubjoch zwischen Schnals und Matsch eine feierliche Bergmesse zur Wiedereröffnung des Wegs Nr. 1 statt. Er verbindet Kurzras mit Bildstöckljoch und Oberetteshütte / Glieshof.  
Hubert Steiner, Zoneninspektor des Amtes für Archäologie erzählt archeoParc-Mitarbeiterin Magdalena Alber im Interview über die Bedeutung dieses historischen Weges. Nereo Ongaro, Ortsstellenleiter des Alpenvereins Schnals und Wegpate gibt uns Einblicke in die Arbeiten am Weg.

Ein neuer und zugleich historischer Weg

Der ursprüngliche Steig Nr. 1 von Kurzras zum Bildstöckljoch musste aufgrund von Gefahrenstellen wie Steinschlag und instabilem Gelände gesperrt werden. Daraufhin wurde eine neue, sicherere Trasse über das Langgrubjoch angelegt. Mit Beginn der Wandersaison 2025 ist dieser Weg nun offiziell begehbar. Er ist gut markiert und beschildert, was Wanderern eine sichere Passage durch diese beeindruckende Berglandschaft ermöglicht.
Die Verbindung über das Langgrubjoch ist historisch sehr alt; bereits in der Jungsteinzeit wurde dieser Pass genutzt.

Magdalena Alber: Wie ist es zum Projekt der Wegverlegung gekommen?

Nereo Ongaro: Mich persönlich hat dieses Projekt von Anfang an fasziniert und beschäftigt, auch weil ich sein Betreuer bin, der sogenannte Wegepate. Nachdem ich jahrelang versucht hatte, den alten Weg zu reparieren, der immer wieder durch Erdrutsche beschädigt wurde, musste ich zugeben, dass eine alternative Lösung erforderlich war. So entstand die Idee, den Weg über das Langgrubjoch umzuleiten. Es war eine wunderbare Überraschung zu entdecken, dass dieser Weg schon vor Tausenden von Jahren benutzt wurde – fast eine Bestätigung, dass die gewählte Route die richtige war.

Magdalena Alber: Herr Steiner, können Sie uns etwas über die Grabungen am Langgrubjoch erzählen?

Hubert Steiner: Im Jahr 2011 entdeckte das Ehepaar Christine und Alois Igelspacher aus Röhrmoos in Oberbayern im Umfeld des letzten Gletscherrestes am Langgrubjoch mehrere Holzteile. Ein bearbeitetes Aststück nahmen sie mit und übergaben es dem Vintschger Museum, welches es schließlich dem Amt für Archäologie meldete. Eine Radiokarbondatierung des Fundes ergab ein römerzeitliches Alter (2./3. Jh. n. Chr.).

In Anbetracht dieses Ergebnisses startete das Amt für Archäologie archäologische Untersuchungen, die sich – witterungsbedingt unterbrochen – bis 2023 erstreckten. Jahr für Jahr kamen infolge des steten Rückzuges der Gletscherfläche neue Funde zutage, die dokumentiert und geborgen wurden.

Im Jahr 2023 ist der letzte Eisrest abgeschmolzen, damit konnte die archäologische Untersuchung abgeschlossen werden.

Eine archäologische Untersuchung in dieser Höhenlage weist besondere Schwierigkeiten auf: Die Durchführung hängt insbesondere von der Wettersituation ab bzw. dem Umstand, ob oder wann der Schnee des vergangenen Winters abschmilzt. In der ersten Untersuchungskampagne wurde am Joch ein Camp eingerichtet, die Mannschaft verblieb dort für mehrere Tage. In den folgenden Jahren wurde die Untersuchung auf einzelne Tageseinsätze beschränkt. Nach Möglichkeit brachte der Hubschrauber die Mannschaft zur Fundstelle und holte diese dann am Abend wieder ab.

Magdalena Alber: Was ist am Langgrubjoch gefunden worden? Was ist das Besondere dort im Vergleich zu anderen Fundorten?

Hubert Steiner: Das Langgrubjoch wurde bereits in der späten Kupferzeit in der Zeit um 2500–2300 von Menschen begangen. Davon zeugen Kleidungsstücke, gefertigt vom Fell der Hausziege, und ein Haken aus Holz zum Verschließen des Gürtels.

Der Großteil der Funde stammt aus der Bronzezeit, zwischen ca. 1600 und 1000 v. Chr. Besonders auffällig sind die Reste von Holzbrettern, die als Dachschindeln zu interpretieren sind. Diese besitzen eine Länge von bis zu 2 m und eine Breite von rund 40 cm. Von zwei Schindeln konnte der letzte Zuwachsring festgestellt werden. Diese weisen in die Jahre 1388 und 1292 v. Chr.

Die Holzfunde sind zweifelsohne mit einer baulichen Struktur in Verbindung zu bringen, die direkt am Joch errichtet worden war. Erhalten blieben nur Teile der hölzernen Dachkonstruktion, während bislang keine Hinweise auf einen Steinunterbau vorliegen. Aufgrund der Länge der Schindeln muss davon ausgegangen werden, dass die Baulichkeit mehreren Personen Schutz geboten hat. Über Brandspuren an den Schindeln kann auf eine Feuerstelle im Inneren geschlossen werden, was einen längeren Aufenthalt vermuten lässt.

Am Langgrubjoch dürfte sich eine Etappenstation befunden haben, also ein Unterstand auf der viel begangenen Route, vermutlich im Zusammenhang mit Handel. In dieser Zeit bestand am Ganglegg in Schluderns eine befestigte Siedlung, die unter anderem Kontakte mit den Kulturgruppen nördlich des Alpenhauptkammes unterhielt.

Magdalena Alber: Wir kann man sich die Landschaft rund um den neuen Wanderweg vorstellen?

Nereo Ongaro: Im unteren Teil des Tals kann man die typische Alpenflora bewundern, die der Liebhaber in ihren vielen Arten wiedererkennen wird. Wenn man sich von Krzras entfernt, wird die Stille immer tiefer, was ein seltenes und wertvolles Gefühl der Ruhe vermittelt. Im oberen Teil kann der aufmerksame Wanderer die Spuren der Vergangenheit entdecken: die Spuren eines sich zurückziehenden Gletschers, die heute unter dem Permafrostschutt verborgen sind. Auf dem Langgrubjoch angekommen, öffnet sich das Panorama in alle Richtungen, und die Gedanken kreisen unweigerlich um archäologische Funde. Und wenn man bedenkt, dass schon damals, vor Tausenden von Jahren, jemand genau hier vorbeigekommen ist!

Magdalena Alber: Wer waren diese Menschen, die früher hier unterwegs waren? Aus welchen Gründen wurden diese Übergänge früher genutzt?

Hubert Steiner: Die Übergänge im Schnalstal wurden seit jeher vom Menschen begangen. Mittelsteinzeitliche Funde vom Tisenjoch bezeugen bereits die Anwesenheit von Jägern und Sammlern. Funde vom Langgrubtal sowie aus dem Pfossental lassen annehmen, dass man auch das Gurgler Eisjoch und das Langgrubjoch im 7. und 6. Jahrtausend v. Chr. zu Jagdzwecken frequentiert hat.

Auch mit der Jungsteinzeit, einer Epoche, in der die Menschen sesshaft waren und Ackerbau- und Viehzucht betrieben, reißt die Begehung des Hochgebirges nicht ab. Zahlreiche Funde aus dem 5. und 4. Jahrtausend v. Chr. vom Gurgler Eisjoch sprechen für die Begehung dieses Überganges. Vordergründig dürften Jagdmotive, aber auch Kontaktaufnahme mit benachbarten Kulturgruppen gewesen sein. Der Fund eines Schneeschuhs vom Gurgler Eisjoch aus der Zeit zwischen 3.800–3.700 v. Chr. belegt, dass man sich auch entsprechend ausrüstete.

Die Begehung der Jöcher in der Bronze- und Eisenzeit (2. und 1. Jahrtausend v. Chr.) dürfte insbesondere mit Handelskontakten, aber auch im Zusammenhang mit der Hochweidenutzung und Almwirtschaft erfolgt sein.

Magdalena Alber: Was versteht man unter Gletscherarchäologie?

Hubert Steiner: Die Gletscher schmelzen und geben archäologisch interessante Objekte frei, die über Jahrzehnte, Jahrhunderte oder Jahrtausende im Eis lagerten. Damit eröffnet sich ein neues umfassendes Aufgabenfeld für die Archäologie. Es bietet sich eine hervorragende Chance zur Erforschung der Nutzung der Hochlagen durch den Menschen. Die Funde geben Hinweise auf die Motive der damaligen Menschen, sich ins Gebirge zu begeben, auf ihre Ausrüstung, die Wirtschaft und ihren Alltag.

Überdies herrschen im Gletscher optimale Erhaltungsbedingungen für pflanzliche Materialien (Leinen, Baumwolle, Holz), Produkte tierischen Ursprungs (Wolle, Seide, Haare, Horn oder Leder) und selbst für Tierkadaver und menschliche Individuen, wie der „Mann vom Tisenjoch“ vor Augen führt.

Ausschließlich der Umsicht und Sensibilität von Privatpersonen ist die Entdeckung von Gletscherfunden in Südtirol zu verdanken, das Schnalstal ist inzwischen zu einem Hotspot der Gletscherarchäologie geworden. Gletscherarchäologie ist ein Gebot der Stunde und ein Wettlauf gegen die Zeit. Werden organische Funde vom Gletscher freigegeben und liegen längere Zeit an der Oberfläche, so setzt allmählich ihr Zerfall ein. Aus diesem Grund wird sich das Amt für Archäologie auch in den nächsten Jahren verstärkt der Gletscherarchäologie im Vinschgau widmen.

Magdalena Alber: Nochmal zurück zum neuen Wanderweg. Wie herausfordernd ist eine Wanderung auf dem neu angelegten Weg eigentlich?

Nereo Ongaro: Die Wanderung gilt als anspruchsvoll. Auf ca. 5,5 Kilometern Wegstrecke sind 1000 Höhenmeter bis zum Langgrubjoch zu bewältigen, zu denen noch ein weiterer Kilometer und 50 Höhenmeter bis zum Bildstöckljoch hinzukommen. Die Gesamtgehzeit beträgt ca. 3-4 Stunden, je nach Tempo und Kondition.

Magdalena Alber: Wie kann man sich eigentlich die Arbeiten an einem neuen Wanderweg im Hochgebirge vorstellen?

Nereo Ongaro: Die Arbeiten dauerten etwa 50 Tage, mit einem Team von vier bis fünf Arbeitern. Einige Tage fielen durch schlechtes Wetter aus: Schnee, Regen und Gewitter verlangsamten den Fortschritt. Um die Genehmigung für das Projekt zu erhalten, mussten wir uns von Anfang an an die strengen Regeln des Alpenvereins halten, einschließlich des absoluten Verbots, mechanische Hilfsmittel auf dem Weg einzusetzen. Alles wurde von Hand gemacht, mit Schaufel und Spitzhacke, auf die altmodische Art. Dabei wurde darauf geachtet, so wenig wie möglich in die Natur einzugreifen.

Magdalena Alber: Herr Steiner und Herr Ongaro, vielen Dank für das Gespräch!

Die Bergmesse am Langgrubjoch (3.017 m) findet am 20. Juli 2025 um 11:00 Uhr statt.
Informationen zur Erreichbarkeit der Bergmesse und zur Wanderung finden sie auf der Seite des Alpenvereins AVS.