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Alpensteinbock im Schnalstal

Mit Mai 2025 ist im Schnalstal ein Monitoring-Projekt zur Bestandserhebung des Alpensteinbocks gestartet. Wie der Alpensteinbock wieder ins Schnalstal kam, worum es im Projekt genau geht und wie Klimawandel und Krankheiten dem Steinbock zusetzen, erzählte zuletzt der Schnalser Jagdaufseher und Steinwildexperte Kaspar Götsch der archeoParc-Mitarbeiterin Sara Weithaler.

Wer schon einmal bei uns im archeoParc war und durch die Ausstellungen im Besucherzentrum gewandert ist, weiß, dass es hier unter anderem ein Steinbockpräparat zu sehen gibt, eine Dauerleihgabe des Amts für Wildtiermanagement des Landes Südtirol.

Was das besondere an dem Präparat ist, fällt nur einem geschulten Auge wie jenem des Kaspar Götsch auf: Die Hörner und der Körper stammen von unterschiedlichen Tieren – sie passen von der Größe her nicht ganz zusammen.

Ein Blick in die Dauerausstellung “Flora Fauna Mensch“ zum Lebensraum des Ötzi im Besucherzentrum des archeoParc Schnalstal in Südtirol <br/> Una parte della mostra permanente “Ma Ötzi, dove viveva?” sull’ambiente di vita dell’Uomo venuto dal ghiaccio nel centro visitatori dell’archeoParc della val Senales in Alto Adige <br/> A part of the exhibition “Primitive? Skilled!„ on how the Iceman lived at the Visitors centre of the archaeological open-air museum in val Senales valley in South Tyrol in northern Italy
archeoParc Schnalstal, photo: Peter Santer

Der Alpensteinbock im Schnalstal

Im Schnalstal gibt es viel Steinwild. Es bietet große Flächen geeigneten Lebensraum für die Felskletterkünstler und es zählt mittlerweile zu den am stärksten besiedelten Gebieten im Alpenraum. Es leben hier im Moment ca. 350 Tiere erzählt Kaspar. Bei der jährlichen Zählung, die am Wochenende nach diesem Interview stattfand, zählte die Schnalser Jägerschaft erstmals 400 Tiere, ein deutlicher Anstieg zum Vorjahr. Kaum vorstellbar, dass das Steinwild vor einigen Jahrhunderten beinahe ausgerottet war.

Drei Steinwild-Kolonien zwischen Reschen- und Brennerpass

Von der nahen Schweiz entlang des Alpenhauptkamms zieht sich ein Gebiet, in dem drei Alpensteinbock-Kolonien leben, insgesamt etwa 1.800 Tiere. Die Kolonie „Weißkugel“ lebt zwischen Brennerpass und Schnalstal, zwischen dem Schnalstal und Moos in Passeier lebt die Kolonie „Texel“ und zwischen Moos und dem Pflerscher Tal bei Sterzing die Kolonie „Tribulaun“.

Aktuelle Herausforderung Klimawandel

Die mittlerweile große Anzahl an Tieren hat Vor- und Nachteile. Ab einer gewissen Anzahl gilt: Der Stärkere überlebt. Durch den vermehrten Rückgang der Gletscher in den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Futterbeschaffung der Tiere geändert. Da sich die Äsungsflächen nach wie vor an den gleichen Stellen befinden, die Gletschergrenze allerdings immer weiter nach oben rückt, ist die Nahrungsbeschaffung heute teilweise mit großen Wanderungen verbunden. Diese schaffen nur die Stärksten – der Rest muss sich die verbleibenden Äsungsflächen teilen.

Wie der Steinbock wieder in die Alpen kam

Kaspar erzählt, dass die meisten der Tiere, die heute in den Alpen anzutreffen sind, von ungefähr 30 „Ur-Tieren“ abstammen, und er erklärt den Grund dafür: Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts kam es nämlich vermehrt zur Jagd von Steinwild. Grund dafür war ein absurder Aberglaube: durch das Tragen und Verspeisen spezifischer Teile des Steinbocks versprach man sich Unverwundbarkeit und besonderer Stärke.

Viele hatten es dabei auf das sogenannte Herzkreuz, einen verhärteten Knorpel der Herzplatten, abgesehen. Ein Exemplar davon kann man in der Ausstellung zur Schnalser Geschichte „Das Tal, in dem man Ötzi fand“ im archeoParc-Erdgeschoss sehen. Bevor es zur endgültigen Ausrottung kommen konnte, stellte der damalige König von Italien, Viktor Emanuel, das Gebiet um den Gran Paradiso 1956 unter Schutz. Damit legte er nicht nur den Grundstein für das Überleben der Tiere sondern auch für die Begründung des ersten Nationalparks Italiens im Jahr 1922.

Die Wiederansiedelung im Schnalstal

Die Wiedereinbürgerung in den Schnalser Bergen fand zwischen den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts im Pfossental statt. Bereits 1978/79 kam es zur ersten Sichtung im ca. 10 km entfernten Finailberg. Seither gilt das Schnalstal als das Südtiroler Zentrum des Steinwildbestandes.

Die Nachwirkungen des drastischen Rückgangs sind noch bis heute an den Tieren erkennbar. Aufgrund der hohen Inzucht, durch die das Überleben des Alpensteinbocks gesichert werden konnte, verfügt der heutige Bestand des Steinwildes in den drei Kolonien weitgehend nur über eine Blutgruppe. Auch die kleinere Statur sowie der Rückgang der stämmigen Beine können darauf zurückgeführt werden. „Auch das Steinbock-Präparat in der archeoParc-Ausstellung weist diese schmale Statur auf“, erzählt Kaspar.

Der Alpensteinbock und Ötzi

Ötzi kannte den Alpensteinbock. Er trug ein Stück von einem Steinbock-Horn bei sich. Eine vergleichbares Exemplar kann man in der archeoParc-Ausstellung „Flora Fauna Mensch. Leben zwischen Talboden und Eisgrenze“ sehen. Ob Ötzi das Hornstück zufällig bei sich trug oder ob er darin wie unsere Vorfahren im 17. Jahrhundert eine Art Glücksbringer sah, wissen wir nicht.

Zum Monitoring-Projekt in der terra raetica

Mit Mai 2025 ist das Interreg-Mittelprojekt VI/IM „Steinwild2“ offiziell angelaufen. Über zwei Jahre wird die Genetik und der Gesundheitszustand der Tiere untersucht und protokolliert werden. Träger, sogenannter Leadpartner, des Projekts ist die Gemeinde Schnals, unterstützt vom hiesigen Jagdrevier.

Kaspar Götsch erklärt, dass durch das Projekt nicht nur vermehrt auftretende Krankheiten bzw. Parasiten und die Auswirkungen des Klimawandels untersucht werden. Darüber hinaus dürfen wir uns spannende Informationen aus der digitale Nachverfolgung von Einzeltieren erwarten: „Wir wissen bereits von einzelnen Wanderungen vom Reschen über Schnals bis zum Brenner“ erzählt Kaspar und ergänzt, die Fragen, auf die das aktuelle Projekt erste Antworten geben wird: „Wie viele Kilometer werden zurückgelegt? Über welchen Zeitraum? Wann und wie lange lange verweilt ein Tier an einem bestimmten Ort?“

Gemeinsam mit Experten und Expertinnen aus Zürich soll mit Hilfe des Projekts auch die genetische Vielfalt erhöht werden. Wichtig für das Projektteam ist dabei, den Eingriff in die Natur so gering wie möglich zu halten. „Am Ende muss das Tier alleine überleben“, sagt Kaspar abschließend, „wir beobachten nur.“

Alpensteinbock im Schnalstal<br/>Stambecco in val Senales<br/>Alpine ibex in Val Senales Valley<br/><br/>Capra ibex
private, photo: Kaspar Götsch

Selber Steinböcke und Steingeisen beobachten

Wer sich für Steinwild interessiert, hat viele Möglichkeiten, sich zu informieren und Tiere zu sehen, auch wenn er nicht wie Kaspar und seine Kollegen nahezu täglich mit Fernglas im Hochgbirge unterwegs ist:

Informieren kann man sich außerdem im Rahmen von Exkursionen und in den Besucherzentren des Nationalparks Stilfser Joch und im Naturparkkaus Texelgruppe in Naturns, im Naturmuseum Südtirol in Bozen, beim Südtiroler Jagdverband und in den Bibliotheken.

Wer hat von euch bereits Steinböcke gesehen?

-> Schreibt uns gerne an info@archeoparc.it.

Vielen Dank an Kaspar für die Informationen. Wir wünschen dem Projekt alles Gute und sind schon gespannt auf die Ergebnisse der Untersuchungen!